Akute Hepatitis bei Kindern

Praxis-Depesche 9/2022

Erhöhte Fallzahlen bleiben unbestätigt

Ein Report aus Großbritannien vom 5. April dieses Jahres berichtet von gehäuften Fällen einer akuten Hepatitis bei Kindern unter 16 Jahren. Die WHO wirft die Frage auf, ob es sich um eine Epidemie handeln könnte.
Eine Folge der Pandemie
Die Häufung von akuter Hepatitis in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie zeigt interessante Parallelen zur Spanischen Grippe 1918. Einige Jahre später (1923) traten vermehrt Fälle von schwerer Hepatitis mit abdominalen Symptomen auf, die auf eine gastrointestinale Virusinfektion hindeuteten. Man nahm an, dass dies an einer erhöhten Anfälligkeit der Menschen lag – eine Folge der zuvor herrschenden sozialen Isolationsmaßnahmen zum Schutz vor dem Influenzavirus.
In einer Fragebogen-basierten Studie wurde von 34 pädiatrischen Zentren aus 22 europäischen Ländern und Israel (unter Ausschluss des UK) die Inzidenz von akuter Hepatitis bei Kindern in diesem Jahr zu dem durch - schnittlichen Auftreten in früheren Jahren (2019 bis 2021) verglichen. Zumindest bisher (Zeitraum Januar bis April 2022) konnte kein Anstieg in den absoluten Zahlen anhand der gewählten Kriterien festgestellt werden. Ein genaueres Bild wird sich aber wohl erst im Rückblick auf das ganze Jahr 2022 ergeben.
Bis zum 21. April 2022 wurden insgesamt 169 Verdachts- und bestätigte Fälle einer akuten Hepatitis bei Kindern berichtet. Im Mittel traten von Januar bis April zwei Fälle pro Zentrum auf. In 22 der 34 Zentren trat die akute Hepatitis im Frühjahr 2022 nicht gehäuft auf, und zehn Zentren berichteten in diesem Zeitraum gar keine neuen Fälle. Alle Zentren hatten aber Fälle in den vergangenen drei Jahren. Zwölf Zentren berichteten von einem Verdacht auf einen Anstieg in der Inzidenz, aber dokumentierten letztlich keine erhöhten Fallzahlen. Große Transplantationszentren, die pro Jahr 16 oder mehr Lebertransplantationen bei Kindern durchführen, berichteten von im Mittel 2,5 Transplantationen bis April 2022, in den Jahren 2019, 2020 und 2021 waren es im Jahresdurchschnitt 4,9 bzw. 3,7 und 4,9 Fälle pro Jahr.
 
Ein neuer Virus?
Die Ursache für die pädiatrische akute Hepatitis ist nach wie vor unklar. Aufgrund des epidemiologischen Musters wird eine Virusinfektion als Auslöser vermutet. Eine Befürchtung, die sich besser nicht bestätigt, denn die Leberentzündung kann zu einem pädiatrischen akuten Leberversagen (pALF) führen und eine dringende Lebertransplantation erforderlich machen, um ein multiples Organversagen abzuwenden. Forschende aus den USA und dem UK vermuten, dass Adenoviren als Auslöser eine Rolle spielen. Bei der Mehrzahl der Patient:innen konnten sie aber nicht nachgewiesen werden. DM
Quelle: de Kleine RH et al.: Severe acute hepatitis and acute liver failure of unknown origin in children: a questionnaire- based study within 34 paediatric liver centres in 22 European countries and Israel, April 2022. Euro Surveill 2022; 27(19): 2200369
ICD-Codes: B19.9

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x