DGVS und DGVA Leipzig, Viszeralmedizin 2021

Praxis-Depesche 12/2021

Erhöhte Leberwerte systematisch abklären

Leberwerterhöhungen sind keine Seltenheit und die Prävalenz chronischer Lebererkrankungen steigt immer weiter an. Der neue systematische Abklärungs-Algorithmus der für Ende 2021 erwarteten Überarbeitung der deutschen Leitlinie zur nicht-invasiven Abklärung bei Nicht-alkoholischer Fettlebererkrankung (NAFLD) soll hier für Klarheit bei Vorgehen und Zuständigkeit in der Diagnostik sorgen.
Die Prävalenz einer ALT-Erhöhung in der Allgemeinbevölkerung liegt bei etwa 16 %. Berücksichtigt man statt der Referenz- aber die Grenzwerte kommt man auf eine Prävalenz von 38 %, so Prof. Verena Keitel-Anselmino vom Universitätsklinikum Düsseldorf. Denn die Referenzpopulation stellt schon lange kein gesundes Vergleichskollektiv mehr dar. Inzwischen findet sich bei jedem Zweiten mit erhöhten Leberwerten mehr als eine Ursache, meist sind es metabolische Risikofaktoren (Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2, Dyslipidämien) oder nicht-alkoholische (NAFLD) sowie alkoholisch bedingte (ALD) Lebererkrankungen. „Aber auch unsere Gene beeinflussen die Höhe unserer Leberwerte“, betonte Keitel-Anselmino. In einer genomweiten Assoziationsstudie wurden kürzlich 190 häufige Genvarianten identifiziert, die auf die metabolische Homöostase, den Leberfettgehalt und so die Entstehung und den Progress von Lebererkrankungen wirken. Etwa 60 % der Varianz der Serum-ALT-Werte sollen durch genetische Faktoren erklärbar sein und sie tragen 25 bis 75 % zum Risiko der Fettleberentstehung bei. Dabei ist die Anzahl der vorliegenden Genvarianten von Bedeutung. Bereits ab drei genetischen Risikofaktoren steigt laut Studien das Risiko für eine Zirrhose bzw. ein HCC relevant an. Durch Zunahme des Body Mass Index wird der genetische Einfluss noch weiter verstärkt. Aktuell seien zwar noch keine Therapien zugelassen, dies dürfte sich künftig jedoch ändern, sodass die genetische Abklärung an Bedeutung zunehmen wird, so Keitel-Anselmino.
 
FIB-4 und Elastographie gewinnen an Bedeutung
Während Leberwerte, die mehr als das 15-fache über dem oberen Normwert (ULN) liegen, meist für ein akutes Geschehen sprechen und sofort beim Spezialisten abgeklärt werden müssen, können milde bis moderate Leberwerterhöhungen (< 15 x ULN) schrittweise abgeklärt werden. Hierzu gab Prof. Frank Tacke von der Charité Berlin (Campus Virchow-Klinikum), Mitverfasser des deutschen Leitlinien-Updates, einen Einblick in die neuen diagnostischen Empfehlungen, die sich an dem kürzlichen Update der europäischen EASL(The European Association for the Study of the Liver)-Leitlinie orientieren werden.
Vorgesehen ist dieser Abklärungsalgorithmus für Personen mit einem erhöhten Risiko für chronische Lebererkrankungen. Neben der gelegentlichen Kontrolle der Leberwerte liegt der besondere Schwerpunkt auf der Bestimmung des Fibrosis(FIB)-4-Scores bei Patienten mit auffälligem Sonographie- Befund oder einem FLI (fatty liver index) > 60. Der FIB-4 berechnet sich aus den Parametern Alter, AST, Thrombozytenzahl und ALT und zeigte sich in Studien der Bestimmung von Einzelparametern meist überlegen. Bei Werten < 1,3 ist eine relevante Leberfibrose unwahrscheinlich, die Leberwerte sollten spätestens alle drei Jahre kontrolliert werden. Bei anhaltend erhöhten Leberwerten oder einem FIB-4-Score von > 1,3 ist die spezialisierte Abklärung beim Hepatologen erforderlich. Hier kommt vor allem die transiente Elastographie zur Lebersteifigkeitsmessung (LSM) zum Einsatz. Besteht kein Hinweis auf eine fortgeschrittene Lebererkrankung (LSM < 8 kPa) erfolgen die weiteren Kontrollen beim Hausarzt, höhere Werte erfordern meist eine Leberbiopsie.
 
Wichtig ist die „Arbeitsteilung“
Die kooperative Vernetzung mit klinischen Partnern sei in der Hepatologie besonders wichtig, betonte Tacke. So erfolgt die Ersteinschätzung meist über Hausärzte, Internisten oder Diabetologen, die Risikopatienten erkennen, durch Lebensstilberatung präventiv tätig sind und die Basisdiagnostik vornehmen (AST, ALT, GGT und Sonographie, FIB- 4-Score). Bei der langfristigen Versorgung ist die Zusammenarbeit mit Kollegen aus Kardiologie, Diabetologie, bariatrischer Chirurgie und Psychosomatik unerlässlich. Ein generelles Leberfibrose- Screening mit Bestimmung des FIB-4-Scores in der Allgemeinbevölkerung sei zwar derzeit noch kein Thema, zukünftig aber denkbar, so Tacke abschließend. CA

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