Schmerz bei Venenpunktion

Praxis-Depesche 3/2015

Hingucken als Analgetikum?

Das Schmerzempfinden ist interindividuell verschieden und multifaktoriell. Sollten Patienten beim Blutabnehmen besser hinschauen oder nicht?

192 Patienten, bei denen aus unterschiedlichsten Gründen eine Blutentnahme anstand, wurden in zwei Gruppen randomisiert: eine erhielt vor der Venenpunktion den Hinweis „Fertig?“, der anderen wurde gesagt: „Achtung, Piks!“ („ready“ bzw. „sharp scratch“). Bei der Blutentnahme wurde beobachtet, ob die Patienten zusahen oder wegschauten. Nach der Prozedur wurden sie nach der empfundenen Schmerzintensität befragt.
73% der Patienten schauten bei der Blutentnahme weg, 27% beobachteten sie. Das Beobachtungsverhalten war unabhängig von dem zuvor gegebenen Hinweis des Punktierenden. Man fand auch keine Alters- oder Geschlechtsunterschiede. Allerdings gaben die hinsehenden Patienten im Schnitt signifikant geringere Schmerzen an als die wegsehenden (0,48 vs. 0,94; p=0,014; VNRS-Skala 0 bis 10 mit 0=kein Schmerz und 10=maximaler Schmerz). Auch die Ergebnisse der VRS-Skala unterschieden sich signifikant (1,27 vs. 1,61; p=0,002; 5-Punkte- Schema von „kein Schmerz“ bis „starker Schmerz“). Das Schmerzempfinden war von dem gegebenen Kommando unabhängig.
Es ist also offensichtlich egal, wie man Patienten verbal vor dem Piks warnt. Klar ist, dass „Wegseher“ fast doppelt so heftige Schmerzen empfinden als Patienten, die der Nadel ins Auge sehen. Über mögliche Kausalitäten können die Autoren nur spekulieren: Hingucken wirkt als Analgetikum, oder die Beobachtungsneigung ist ein Marker für Schmerztoleranz. CB
Quelle:

Vijayan R et al.: Out of sight, but not out of mind? Greater reported pain in patients who spontaneously look away during venepuncture. Eur J Pain 2015; 19: 97-102

ICD-Codes: R52.9

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