Erythropoetin bei malignen Leiden

Praxis-Depesche 9/2000

Hypoxie macht Tumor aggressiv

Hypoxische Tumorareale sprechen nicht nur schlechter auf eine Strahlen- oder Chemotherapie an als Areale mit ausreichender Sauerstoffversorgung; sie neigen unabhängig davon auch verstärkt zur Progression und zur Bildung von Fernmetastasen. Anämien von Tumorpatienten sollten daher frühzeitig behoben werden; dazu eignet sich die Gabe von rekombinantem Erythropoetin (Epoetin).

Hypoxische Bedingungen können bei Tumorzellen zur Änderung der Expression bestimmter Gene mit anschließenden Selektionsprozessen führen, die die Entwicklung zu aggressiveren Tumorformen mit einem höheren Metastasierungspotenzial begünstigt. So ist belegt, dass Mutationen in den beiden Tumorsuppressor-Genen p53 und PTEN unter Hypoxie zu einem Überlebensvorteil der Zellen führen bzw. die Tumor-Angiogenese fördern. Normalerweise bewirkt die Hypoxie eine Akkumulation des normalen p53-Proteins und somit die Einleitung der Apoptose (= programmierter Zelltod). Zellen mit mutiertem p53-Gen sind nur noch vermindert apoptosefähig. Sie vermehren sich unter hypoxischem Stress - mit der Folge der Tumorprogression. Das normale ("Wildtyp") Tumorsupressor-Gen PTEN hemmt die durch die Hypoxie induzierte Aktivierung der Tumor-Angiogenese. Ein mutiertes PTEN-Gen führt zur Deregulation des entsprechenden Signalweges, so dass unter hypoxischem Stress die Bildung neuer Gefäße und damit das Tumorwachstum erleichtert wird. Hypoxische Zustände im Tumorgewebe können mittels Anämiekorrektur durch rekombinantes Erythropoetin beseitigt werden. Bei Mamma-, Zervix- und Kopf-Hals-Tumoren ist eine positive Korrelation zwischen normalem Hb-Wert und lokaler Eindämmung des Tumors sowie längerem rezidivfreiem Überleben und auch Gesamtüberleben belegt. An der Wiener Universitätsklinik erhielten Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren rekombinantes Erythropoetin zusätzlich zur initialen ("neoadjuvanten") Strahlen/Chemotherapie (insgesamt 187 Patienten, Anämiekorrektur bei 57 Patienten). Ihre Prognose nach erfolgreicher Anämiekorrektur entsprach derjenigen von Patienten ohne Anämie. Die Rate an Tumorrezidiven lag in der behandelten Gruppe statistisch signifikant niedriger als bei den Patienten, deren Anämie nicht mit Erythropoetin behandelt wurde (5% versus 28%). (BP)

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