European Academy of Allergology, Lissabon, 1.-5.7.2000

Praxis-Depesche 18/2000

Immuntherapie: Warum? Wie? Für wen?

Die Hyposensibilisierung, auch spezifische Immuntherapie (SIT) genannt, ist ein wichtiger Gegenstand der allergologisch-klinischen Forschung geworden. Neben neuen Erkenntnissen zu ihren Grundlagen wurde auf dem EAACI-Kongress auch über neue Applikationswege und Langzeiteffekte gesprochen.

Die Hyposensibilisierung, bei der subkutan steigende Konzentrationen eines Allergenextrakts appliziert werden, ist mittlerweile ein anerkanntes Therapieverfahren. Vor allem monosensibilisierte Patienten profitieren, wenn sie in einem frühen Stadium ihrer Erkrankung behandelt werden. Zum Wirkmechanismus wird eine Normalisierung der Th2/Th1-Reaktivität angenommen, d. h., die pathologische Th2-Antwort des Immunsystems wird durch die Applikation subklinischer Dosen von Allergen wieder in Richtung der normalen Th1-Antwort geführt. Die damit verbundene Veränderung in der Zytokin-Sekretion könnte auch die Früheffekte dieser Behandlung erklären, meinte C. Ebner, Wien. Klinisch weitaus wichtiger als die unmittelbaren Früheffekte, nachweisbar bereits wenige Wochen nach Beginn einer Hyposensibilisierung, ist der Langzeiterfolg. Er besteht bis zu sechs Jahre nach Beendigung der Behandlung fort. Nachgewiesen ist dies bei Allergien auf Gräser- und Baumpollen sowie auf Tierhaare bzw. -epithelien. Auch präventive Effekte z. B. im Sinne eines Schutzes vor Neusensibilisierungen oder hinsichtlich einer Krankheitsverschlechterung sind dokumentiert (L. Jacobson, Dänemark, S. R. Durham, London). Erste Zwischenauswertungen der noch laufenden PAT-Studie (Preventive Allergy Treatment) dokumentieren einen weiteren Aspekt der Allergieprävention, berichtete E. Valovirta, Turku/Finnland: Bei Kindern mit Heuschnupfen auf Grund einer Allergie auf Birkenpollen und/oder Gräser kann eine Hyposensibilisierungstherapie der Entwicklung eines Asthma bronchiale entgegenwirken. Auch bei der Therapiedurchführung wird über Neuerungen berichtet: So kann nach K. J. Drachenberg, München, durch die Kombination von z. B. Baum-, Gräser- oder Roggen-Allergoiden (= chemisch modifizierte Allergene) mit einem neuen, immunologisch stark wirksamen Adjuvans ein Hyposensibilisierungs-Zyklus auf drei Wochen reduziert werden. Allerdings wird auch bei dieser Kurzzeittherapie die Durchführung in drei aufeinander folgenden Jahren empfohlen. Doch nicht nur die Häufigkeit der notwendigen Injektionen war bisher ein limitierender Faktor, sondern auch die Notwendigkeit einer subkutanen Injektion. Zwar zeigen sich auch Kinder in der Regel compliant, doch scheint die sublinguale Allergengabe vielen doch als die angenehmere Alternative - zumal nicht bei jeder Applikation der Arzt aufgesucht werden muss und die Verträglichkeit in der Regel als besser als bei der subkutanen Injektion eingestuft wird. Allerdings wird der orale/ sublinguale Applikationsweg von einigen Allergologen noch mit einer gewissen Skepsis bedacht. In einem Minisymposium sollten diese Bedenken nun mit der Präsentation aktueller Studien ausgeräumt werden. So wurde in einer offenen Untersuchung bei auf Gräserpollen allergischen Rhinitikern und Asthmatikern (J. Pineda-Algorta, Pamplona/ Spanien) eine vergleichbare Wirksamkeit der Hyposensibilisierung auf sublingualem und subkutanem Wege nachgewiesen. Zu den gleichen Ergebnissen kam eine Untersuchung an Patienten mit Heuschnupfen, die gegen Birkenpollen allergisch waren (M. S. Khinchi, Kopenhagen). Auch hier erwies sich die sublinguale Immuntherapie der subkutanen Applikation der Antigene in der klinischen Effektivität als ebenbürtig - bei besserer Verträglichkeit der oralen Applikationsroute. Eine gute Wirksamkeit im Vergleich zur subkutanen Hyposensibilisierung wurde auch bei gegen Hausstaubmilben allergischen Patienten gesehen (M. Ano-Gracia, Pamplona). Speziell bei Kindern ist die Verträglichkeit der sublingualen Applikation sehr gut. Eine italienische Arbeitsgruppe (G. B. Panjo et al., Messina/Italien) überblickt die Fälle von 320 Asthmakindern, die dieser oralen Therapie unterzogen worden waren. Bei 24 der Kinder traten Nebenwirkungen auf; am häufigsten wurde Müdigkeit genannt. Neun Kinder hatten leichte bis mittelschwere allergische Symptome im Mundbereich, die aber rasch wieder verschwanden. Anaphylaktische Reaktionen traten in keinem Fall auf.

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