Kurzatmigkeit, müde Beine, aber unauffällige Lungenparameter

Praxis-Depesche 12/2015

Keine Einigung bei der Diagnosestellung

Eine 58-jährige Frau stellte sich mit belastungsabhängiger Kurzatmigkeit im Massachusetts General Hospital (MGH) vor. Als Diagnose wurden interstitielle Lungenerkrankung, Statin-induzierte Myopathie plus interstitielle Lungenerkrankung und pleuroparenchymale Fibroelastose diskutiert. Eine Einigung gab es nicht.

Während des täglichen Joggens bemerkte die Frau Kurzatmigkeit, die bald schon innerhalb weniger Minuten oder beim Treppensteigen auftrat. Ihre Beine ermüdeten. Vor Präsentation am MGH wurden eine Kopfsteinpflasterähnliche oropharyngeale Mukosa und vereinzelt beim Einatmen Keuchen in der Lunge festgestellt. Das Röntgenbild zeigte Trübungen vor allem der oberen Lunge ohne Pleuraerguss oder Pneumothorax. Die Lungenfunktionstests fielen normal aus.
Das Röntgen im MGH ergab geringen Volumenverlust, Pleuraverdickung und periphere noduläre Trübungen in den oberen Lungenbereichen sowie in der linken Lungenspitze einen 8 mm großen Knoten. Die Medikation der Patientin beinhaltete u. a. Alendronat, Simvastatin und Lorazepam. Die Lungenfunktionstests lieferten wieder normale Werte – dies überraschte wegen der Schwere der Dyspnoe und der Abnahme der Lungenfunktion.
Als Diagnose in Frage kamen chronische eosinophile Pneumonie, kryptogene organisierende Pneumonie und entzündliche Myositis, verbunden mit einer interstitiellen Lungenkrankheit. Das Krankheitsbild passte jedoch auf keiner dieser Diagnosen zu 100%. Nach Meinung eines Vertreters eines Ärztekonsiliums deutet das „normale“ Ergebnis eines Lungenfunktionstests bei gleichzeitig reduzierter belas tungsabhängiger Lungenfunktion auf nicht pulmonär bedingte Ursachen hin. Denn ließ man die parenchymalen Unregelmäßigkeiten der Lunge außer Acht, zeigte sich eine Patientin unter Statintherapie mit progressiver Dyspnoe, sinkender Belastungsgrenze, müden Beinen und leicht erhöhten Aminotransferase- Werten. Dieses klinische Bild spricht für eine Statin-induzierte Myopathie (Primärursache) mit interstitieller Lungenerkrankung. So könnten auch die erhöhten Aminotransferase-Werte erklärt werden.
Ein anderer Arzt machte die aus der Vergangenheit herrührende Angst der Patientin vor eingeschränkter Belastung für die Dyspnoe mitverantwortlich. Die Thoraskopie ergab keine pleurale Adhäsionen. Der in der Bildgebung zu sehende apikale Knoten konnte nicht gefühlt werden. Das Material einer apikalen Keilresektion enthielt den Knoten. Er plädiert für die Diagnose interstitielle Lungenerkrankung, evtl. kryptogene organisierende Pneumonie.
Der Pathologe geht dagegen aufgrund der vorliegenden Situation von einer idiopathischen pleuroparenchymalen Fibroelastose aus. Seiner Meinung nach kann die erst kurz vor der Präsentation verschriebene Statintherapie nicht für das Symptombild oder die Lungenkrankheit verantwortlich sein. GS
Quelle:

Shea BS et al.: Case 14-2015: A 58-year-old woman with shortness of breath. NEJM 2015; 372: 1749-58

ICD-Codes: J84.9 , G72.0

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