Person kratzt mit dem Fingernagel neben einem anderen Nagel, wo die Haut schon aufgekratzt ist.

Zwanghaftes Zupfen und Ziehen an Haut und Haar

Praxis-Depesche 1/2024

Kombinierte Verhaltenstherapie kann helfen

Körperbezogenes repetitives Verhalten (BFRB) kennt jeder: Gemeint ist der zwanghafte Drang, die Haut, Haare und/oder Nägel zu manipulieren. Treten die Verhaltensweisen exzessiv auf bzw. entwickeln sie sich zu einer Störung, können sie schwere Folgen haben. In der Praxis bleiben BFRB oft undiagnostiziert, zumal die Betroffenen oft schambehaftet sind und es an adäquaten Therapieangeboten mangelt. Verhaltenstherapeutische Maßnahmen zeigen vielversprechende Ergebnisse, vor allem bei kombinierter Anwendung. Eine Arbeitgruppe des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) stellt zu diesem Zweck ein Selbsthilfe-Manual für Betroffene zur Verfügung.

BFRB können verschiedene Formen annehmen. Häufige Ausprägungsformen sind das Zupfen an der Haut (Dermatillomanie, auch „Skin Picking“), das Ausreißen der Haare (Trichotillomanie), das Beißen der Lippen und Wangen sowie das Herumkauen auf den Nägeln oder den Haaren (Onycho- bzw. Trichophagie). Während sich einige BFRB auf eine bestimmte Körperregion beziehen (z. B. das Auszupfen von Wimpern), können andere BFRB, insbesondere Dermatillomanie, unterschiedliche Körperregionen und Handlungsweisen (z. B. Finger, Instrumente) involvieren.

BFRB sind ein gängiges Phänomen: Rund 90 % aller Menschen führen BFRB gelegentlich aus. Bei etwa 10 % wird das repetitive Verhalten aber exzessiv und kann zu einer verringerten Lebensqualität, beruflichen und sozialen Beeinträchtigungen sowie schwerwiegenden psychischen Folgen wie einem geringes Selbstwertgefühl, Scham- und Schuldgefühlen oder komorbider Depression führen. Einige Ausprägungen, wie z. B. Dermatillomanie, wurden auch mit suizidalem Verhalten in Verbindung gebracht. Darüber hinaus können die körperlichen Folgen von BFRB sehr schwerwiegend sein: Betroffene können unter Glatzenbildung und sichtbaren Narben leiden, manche BFRB können sogar zu großen Wunden, einer Blutvergiftung oder bei Trichotillomanie/-phagie zu Bezoaren führen. Der Begriff „körperbezogene repetitive Verhaltensstörung“ (BFRBD) bzw. körperbezogene Impulskontrollstörung sollte daher denjenigen vorbehalten bleiben, die die vollständigen Diagnosekriterien erfüllen und deren Störung klinisch bestätigt wurde. Aber auch Personen, die nicht alle Diagnosekriterien erfüllen, können von BFRB stark belastet sein.

Unklare Klassifikation

Verschiedene Formen von BFRB sind über psychiatrische und somatische Klassifikationssysteme verstreut, was ihre Sichtbarkeit in der Wissenschaft, aber auch in der Praxis erschwert. Während Dermatillomanie, Trichotillomanie, Lippen-/Wangenbeißen und Nägelkauen im DSM-5 erwähnt werden, werden Dermatophagie, Bruxismus (Zähneknirschen im Wachzustand) und Gelenkknacken nicht erwähnt, obwohl sie meist ebenfalls als BFRB angesehen werden. Ob BFRB am besten unter Zwangsstörungen und verwandten Störungen subsumiert werden sollten, ist umstritten.

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