Präsentismus im Klinikalltag

Praxis-Depesche 4/2017

Krank ins Krankenhaus – warum?

Bei Arbeitspsychologen ist das Phänomen „Präsentismus“ lange bekannt: Arbeitnehmer erscheinen trotz Krankheit bei der Arbeit, meist aus Angst vor Jobverlust. Präsentismus kommt daher in konjunkturschwachen Zeiten mit mehr Entlassungen häufiger vor. Im Krankenhaus führen einer Studie zufolge ganz andere Gründe zu Präsentismus – und das, obwohl den Befragten klar war, dass ihr Verhalten Patienten gefährdet.

459 Ärzte und 470 nicht-ärztliche in der Patientenversorgung Tätige (APC, advanced practice clinicians, u. a. Schwestern, Pfleger, Hebammen) wurden im Jahr 2014 in einem Kinderkrankenhaus in Philadelphia befragt. Über die Hälfte der Befragten antworteten.
Fast alle (95%) waren der Meinung, dass man durch ein Erscheinen bei der Arbeit trotz Krankheit Patienten im Krankenhaus gefährde. Trotzdem gaben 83,1% an, im vergangenen Jahr mindestens einmal krank gearbeitet zu haben; 9% hatten das sogar mindestens fünfmal getan. Typische Symptome, von welchen sich die Befragten nicht von der Arbeit abhalten ließen, waren Diarrhoe (30%), Fieber (16%) und relevante respiratorische Symptome (56%). Ärzte zeigten dabei häufiger Präsentismus als nicht-ärztliche Angestellte.
Als Hauptgründe wurden angegeben: Kollegen und Patienten nicht im Stich lassen zu wollen, Bedenken wegen personeller Engpässe, Furcht vor Ächtung durch Kollegen und Sorge um die Kontinuität der Patientenversorgung. Angegeben wurden aber auch extreme Schwierigkeiten, eine Vertretung zu finden, kulturelle Normen und Unsicherheit, wann man überhaupt zu krank zum arbeiten ist. CB
Quelle:

Tanksley AL et al.: Changing the „working while sick“ culture ... JAMA Pediatr 2015; 169: 815-21

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