Opioid-Entzug

Praxis-Depesche 1/2017

Lebensgefährlich und oft unterschätzt

Verglichen mit den oft lebensbedrohlichen Entzugserscheinungen von Benzodiazepinen oder Alkohol werden die Symptome eines Opioidentzugs häufig als recht mild eingestuft. Vielen ist nicht bewusst, dass auch ein Opioid-Abstinenzsyndrom durchaus zum Tode führen kann. Vor allem in Gefängnissen, wo sehr viele Abhängige auf Zwangsentzug gesetzt werden, ist man auf diese Situation aber nicht vorbereitet.

Typische Symptome eines Opioidentzugs sind Dysphorie, Insomnie, erweiterte Pupillen, Piloarrektion, Gähnen, Muskelschmerzen, Tränenfluss, Rhinorrhoe, Übelkeit, Fieber, Schweissausbrüche, Erbrechen und Diarrhoe. Was häufig als eine Grippe-ähnliche, aber vergleichsweise harmlose Erkrankung abgetan wird, kann unbehandelt zum Tode führen. Erbrechen und gleichzeitige Diarrhoe können zu einer schweren Dehydrierung und Hypernatriämie führen, was letztlich in Herzversagen resultieren kann.
Seit den 1990ern sind bisher zehn solcher Todesfälle bekannt, allesamt Vorkommnisse in Gefängissen, meist in den USA. In allen Fällen war bis zum Todeseintritt eigentlich genug Zeit, um das Ableben durch adäquate Maßnahmen zu verhindern. Obwohl in Gefängnissen mehr Drogenentzüge durchgeführt werden als in jeder anderen Institution, mangelt es oft an den nötigen medizinischen Ressourcen, um Patienten mit schweren Entzugssymptomen zu versorgen.
Es könnte sinnvoll sein, in Gefängnissen statt einem Zwangsentzug eine Substitutionstherapie mit Opiaten anzubieten. In einigen Anstalten konnte man durch eine solche Umstellung die Mortalitätsraten Opioid-abhängiger Insassen im Gefängnis um 93% reduzieren, und auch nach der Entlassung sank die Mortalitätsrate und das klinische Outcome. OH
Quelle:

Darke S et al.: Yes, people can die from opiate withdrawal. Addiction 2016; Epub Aug 11; doi: 10.1111/add.13512

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