Diabetische kardiale Neuropathie

Praxis-Depesche 1-2/2018

Macht mehr als stumme Infarkte

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die Haupttodesursache von Diabetikern. Mitverantwortlich dafür ist die kardiale autonome Neuropathie (CAN), die in der Praxis allerdings häufig übersehen wird. Wir haben für Sie zusammengefasst, was man über CAN wissen sollte.

Das Risiko einer CAN steigt für Typ-2- bzw. Typ-1-Diabetiker jährlich um 2 bzw. 6%, abhängig von weiteren Faktoren wie Alter, Übergewicht, Rauchen und Hypertonie, vor allem aber durch eine schlechte glykämische Kontrolle. Hauptverantwortlich für das schleichende Absterben der Neuronen sind der Hyperglykämie- bedingte oxidative Stress und die Akkumulation toxischer Glykierungsendprodukte. Als erstes leidet der Vagusnerv, weshalb zunächst ein erhöhter Symathikustonus vorliegt, bis in fortgeschrittenen CAN-Stadien auch das sympathische Nervensystem (SNS) geschädigt wird.
 
Stummer Myokardinfarkt
 
Im klassischen Fall resultiert eine CAN bei Diabetikern mit koronarer Arterienerkrankung (CAD) in stummen Myokardischämien, die das Mortalitätsrisiko stark erhöhen. Damit hört es aber nicht auf, denn die CAN-bedingte autonome Dysfunktion hat auch bei vielen weiteren Komplikationen die Finger im Spiel. Hypertonie, Herzinsuffizienz und Arrhythmien Ein erhöhter sympathischer Tonus kann über den gestörten Barorezeptor-Reflex auch zu Hypertonie führen. Infolge der Parasympathikus- Schwäche bei CAN wird typischerweise der nächtliche Blutdruckabfall abgeschwächt oder geht sogar in einen Blutdruckanstieg über („reverse dipping“). Häufig manifestiert sich eine CAN auch in orthostatischer Hypotonie. Wahrscheinlich geht dies auf Schäden an den efferenten sympathischen vasomotorischen Nervensträngen zurück, vor allem jenen der Splanchikus-Vaskulatur. Studien deuten ferner auf eine Assoziation von CAN mit arterieller Steifigkeit hin, die wiederum den systolischen Blutdruck ansteigen lässt und zu Schlaganfällen, linksventr. Hypertrophie sowie verringerter koronarer Durchblutung führen kann. Oft trägt eine CAN auch zur Entstehung einer linksventrikulären Dysfunktion bei, was meist in diastolischer Herzinsuffizienz resultiert. Der Herzrhythmus bleibt von der kardialen Neuropathie ebenfalls nicht unbeeinflusst. Eine typische CAN-Manifestation, die oft schon in frühen Stadien auftritt, ist die SinusTachykardie. Der parasympathische Rückgang äußert sich oft in einer Herzfrequenz >90/ min; eine vollständige kardiale Denervierung endet in einer fixierten Herzfrequenz, die nicht mehr auf Schlaf, Sport oder Stress reagiert und Belastungsintoleranz mit sich bringt. Neben Vorhofflimmern stellt auch eine CAN ein ernstzunehmendes Risiko für plötzlichen Herzstillstand dar. Insgesamt führt die CAN Schätzungen zufolge zu einer zwei- bis dreifachen Erhöhung des Mortalitätsrisikos.
 
Diagnose mittels Ewing-Test
 
Gemäß den aktuellen Leitlinien der American Diabetes Association sollte man alle Patienten mit mirkovaskulären und neuropathischen Komplikationen auf das Vorliegen einer CAN testen. Die wichtigsten klinischen Manifestationen sind Ruhetachykardie und orthostatische Hypotonie (Blutdruckabfall >20 mmHg systolisch bzw. >10 mmHg diastolisch beim Aufstehen unter Ausbleiben eines Herzfrequenzanstiegs). Goldstandard zur Diagnose einer CAN ist die Testbatterie nach Ewing. Die respiratorische Herzfrequenzänderung und die Herzfrequenzänderung beim Aufstehen testet dabei die Parasympathikus-Funktion, während der Orthostasetest und das Valsalva-Manöver Auskunft über die sympathische Funktion geben. Der Griffstärke-Test wird von Fachgesellschaften nicht zur Beruteilung der CAN empfohlen. Ein einzelnes positives Testergebnis spricht für eine mögliche oder frühe CAN, zwei oder mehrere abnormale Resultate sprechen für eine definitive CAN. Eine orthostatische Hypotonie zusätzlich zu den positiven Testergebnissen kennzeichnet das Vorliegen einer schweren CAN. Für die Evaluation am Krankenbett eignet sich entsprechende Diagnosesoftware. OH
Quelle:

Bissinger A: Cardiac autonomic ... J Diab Res 2017; Epub Okt 29; doi: 10.1155/2017/5374176

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