Immunisierung in der Schwangerschaft

Praxis-Depesche 12/2017

Maternale Impfung für frühkindlichen Schutz

In den ersten Lebenswochen ist ein Säugling besonders anfällig für schwere Infektionen. Zumindest vor einigen dieser Infektionen kann eine Impfung der Mutter während der Schwangerschaft schützen.

In den meisten Ländern beginnt das Impfprogramm für Säuglinge erst im Alter von zwei Monaten. Die Primärimmunisierung ist so frühestens mit einem halben Jahr abgeschlossen. Diese Immunitätslücke führt zu einer erhöhten infektionsbedingten Morbidität und Mortalität. Zumindest teilweise umgangen werden kann das durch eine maternale Immunisierung in der Schwangerschaft. Dazu kommt, dass einige Infektionen – wie Influenza und Hepatitis E – in der Gravidität mit einem schlechteren Verlauf assoziiert sind. Die Impfung Schwangerer ist daher potenziell von hoher Bedeutung für die Gesundheit von Mutter und Kind.
Im Verlauf der Schwangerschaft beeinflussen die sich verändernden Hormonspiegel die Reaktionsfähigkeit des Immunsystems. Steigende Estradiolkonzentrationen bewirken beispielsweise einen Rückgang der T-Helferzellen vom Typ 1 (Th1) und eine relative Verstärkung der Th2-Antwort. Andere Komponenten – etwa die Phagozytenaktivität, die Zahl der Neutrophilen, Monozyten und dendritischen Zellen – bleiben gleich oder steigen sogar. Das veränderte Th1/Th2-Gleichgewicht führt zu einer verminderten zellulären Immunantwort gegenüber bestimmten viralen Infektionen.
Teilweise ist auch die Immunogenität von Vakzinen bei Schwangeren im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen vermindert. Studien belegen dies für Impfungen gegen Hepatitis B, Influenza, Pertussis und Gelbfieber.
Eine weitere Erkenntnis aus aktuellen Studien: Der Effekt einer Impfung in der Schwangerschaft scheint nach bisherigen Erkenntnissen jedoch auch bei einer reduzierten Immunogenität einiger Vakzine nicht verringert.
 
Influenza
 
Die Influenzaimpfung wird in den meisten Industrienationen für jede Schwangere empfohlen. Grund dafür ist die Evidenz aus mehreren Beobachtungsstudien, dass die Erkrankung bei schwangeren Frauen schwerer verläuft und zu fetalen Komplikationen führen kann. Wie zwei Studien belegten, reduzierte die Impfung die Inzidenz eines niedrigen Geburtsgewichts. Eine Immunisierung im zweiten Trimenon scheint hierfür im Vergleich zu einer späteren Impfung von Vorteil zu sein.
 
Pertussis
 
Hauptsinn der maternalen Pertussis-Immunisierung ist der Schutz des Neugeborenen, bei dem eine Infektion besonders bedrohliche Folgen haben kann. In den USA, Großbritannien, Australien und anderen Ländern – nicht aber in Deutschland – wird die Impfung für Schwangere bereits empfohlen. Zum Einsatz kommt dabei in der Regel die Tdap-Kombinationsvakzine (Tetanus, Diphtherie, azelluläre Pertussis). Die Impfung ist in jedem Trimenon möglich; als optimaler Zeitpunkt wird in den USA die 27. bis 36. SSW genannt, im UK die 20. bis 32. SSW.
Wie Studien belegen, beträgt die Wirksamkeit der maternalen Impfung beim Säugling 91 bis 93%. Auch ihre Sicherheit ist belegt: Eine US-amerikanische Studie fand keine Zunahme von Schwangerschafts- oder Geburtskomplikationen – mit der Ausnahme einer um 20% höheren Inzidenz von Chorioamnionitis, deren Diagnose sich jedoch nur in der Hälfte der Fälle bestätigte. Das Risiko einer Frühgeburt, der klinisch bedeutendsten Folge einer Chorioamnionitis, stieg durch die Impfung nicht. Ebenso erwies sich die gleichzeitige Gabe von Influenza- und Tdap-Vakzine als sicher.
 
Respiratory Syncytial Virus
 
Einer Studie zufolge sind weltweit 2 bis 3% aller neonatalen Todesfälle auf Infektionen mit dem RS-Virus zurückzuführen. Erste Impfstoff- Kandidaten für Säuglinge wurden bereits in den 1960er Jahren entwickelt. Dabei stellte sich jedoch heraus, dass seronegative Kinder nach der Impfung sogar häufiger und schwerer an RSV-Infektionen erkrankten – eine aberrante immunologische Reaktion. Mehrere Impfstoffe für Schwangere befinden sich bereits in präklinischen und klinischen Stadien.
 
Gruppe-B-Streptokokken
 
Bei etwa jeder fünften Schwangeren ließ sich in Studien eine rektale oder vaginale Kolonisation mit B-Streptokokken nachweisen. Beim Neugeborenen kann die Transmission während der Entbindung zu Sepsis, Pneumonie oder Meningitis führen. Eine invasive B-Streptokokken-Infektion während der Schwangerschaft ist mit einem erhöhten Totgeburtsrisiko und wahrscheinlich einem erhöhten Frühgeburtsrisiko assoziiert. Ein Screening auf maternale B-Streptokokken und die intrapartale Antibiotikaprophylaxe brachten in den USA zwar einen Rückgang der Early- onset-Infektionen bei Neugeborenen – nicht aber der Late-onset-Erkrankungen im Alter von 7 bis 89 Tagen. Abhilfe könnte auch hier eine maternale Immunisierung schaffen. Impfstoffkandidaten werden in klinischen Studien getestet. CW
Quelle:

Omer SB: Maternal Immunization. N Engl J Med 2017; 376: 1256-67

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