3D-Illustration vom Herz

87. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie

Praxis-Depesche 6/2021

Neue Technologien überholen Goldstandards

Die kardiologische Forschung geht voran, trotz und mit der Pandemie. Zahlreiche Highlights wurden wie üblich auf dem Kongress der DGK als „Late Breaking Clinical Trials“ präsentiert.

Besser als der Goldstandard: Daumen-EKG zur Detektion von Vorhofflimmern
Zur Erkennung von Vorhofflimmern im Praxisalltag ist das so genannte Daumen-EGK dem 24-Stunden-EKG offenbar überlegen. Das ist das Ergebnis der Studie B-SAFE, in der die beiden Methoden zum Screening von Vorhofflimmern verglichen wurden. Dazu wurden an über 50 kardiologischen Praxen in Deutschland insgesamt 1.500 Patient:innen mit hohem kardiovaskulären Risiko rekrutiert (ChA2DS2-VASc-Score 4,3). Alle Proband:innen erhielten sowohl den aktuellen Goldstandard, das 24-Stunden-Holter-EKG, als auch ein Daumen-EKG, das die eigenständige Aufzeichnung eines EKG erlaubt.
Die Detektionsrate war mit dem Hand-EKG zweimal höher als mit dem aktuellen Goldstandard (4 % vs. 2,2 %), wobei nur bei 1,13 % beide Geräte anschlugen. In dem Setting des opportunistischen Screenings bei Hochrisikopatient:innen scheint damit das Daumen-EKG besser geeignet zu sein als das Holter-EKG, resümierte der Erstautor Dr. Ralph Bosch, Kardiologe aus Ludwigsburg.
 
Orales Propionat erweist sich als potenter Cholesterinsenker
Frühere Studien an Mäusen lieferten Hinweise auf die cholesterinsenkende und antiatherogene Wirkung der oralen Zufuhr von Propionat, einem Stoffwechselprodukt der intestinalen Mikrobiota. Einen ähnlichen Effekt beobachteten Kardiolog:innen um Dr. Arash Haghikia von der Charité Berlin nun auch am Menschen. In einer doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie erhielten 62 Erwachsene mit Hypercholesterinämie (LDL-Level >115 mg/dl) und ansonsten niedrigem kardiovaskulärem Risiko über acht Wochen hinweg zweimal täglich entweder ein Placebo oder 500 mg Propionat. Eingeschlossen waren lediglich Personen, die seit mindestens acht Wochen keine lipidsenkenden oder immunmodulatorischen Medikamente einnahmen.
Das Ergebnis: Während das LDL-Cholesterin unter Placebo um durchschnittlich 1,6 mg/dl sank (- 0,5%), wurde in der Propionat-Gruppe eine Verringerung um 15,9 mg/dl erreicht (-8,1 %). Eine ähnliche Wirkung zeigte sich beim Gesamtcholesterin (1,7 vs. 7,3% Senkung) sowie beim non-HDL-Cholesterin (-0,5 vs. -9,1 %). Einen Einfluss auf das HDL-Level oder die Triglyzeride hatte die Propionat-Einnahme hingegen nicht.
„Zwar müssen diese Ergebnisse erst noch in großen, multizentrischen Untersuchungen bestätigt werden“, so der Studienleiter Haghikia, „unabhängig davon demonstrieren die Daten jedoch das Potenzial Mikrobiom-abhängiger Mechanismen zur Prävention und Therapie kardiometabolischer Erkrankungen.“
 
Belastungs-MRT: Neue Möglichkeit zur nicht-invasiven HFpEF-Diagnose
Eine Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) zu erkennen, ist oft eine diagnostische Herausforderung. Goldstandard ist die Rechtsherzkatheteruntersuchung mit Ergometrie, die jedoch vor allem für ältere Menschen eine Belastung darstellt. Kardiolog:innen der Universitätsmedizin Göttingen um Dr. Sören Backhaus haben jetzt positive Studienergebnisse zu einer neuen, nicht-invasiven Diagnostikoption vorgestellt: eine Echtzeit-Kardio-MRT unter Belastung. Zum Einsatz kommt dabei ein MRT-taugliches Ergometriegerät, das eine präzise Beurteilung der Morphologie und Funktion des linken Ventrikels (LV) sowie des Vorhofs bei hoher Herzfrequenz ermöglicht.
Die prospektive Kohortenstudie „HFpEF Stress“, in die 34 Erwachsene mit bestätigter HFpEF eingeschlossen waren, verglich die Echtzeit-Belastungs-MRT mit dem Rechtsherzkatheter unter Belastung. Als Kontrolle dienten 34 Patient:innen, deren Luftnot nicht-kardiale Ursachen hatte. Echokardiografisch ergaben sich zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede unter Belastung. Dagegen erlaubte die neue MRT-Technologie – vor allem unter Einbeziehung des linken Vorhofs - eine genaue Differenzierung der Patienten mit und ohne HFpEF. Überraschenderweise war die LV-Funktion in der HFpEF-Gruppe kaum betroffen – ganz im Gegensatz zur Funktion des linken Vorhofs, die oft schon in der Frühphase der HFpEF eingeschränkt ist, was der Echokardiografie allerdings verborgen bleibt. Demnach könnte die Belastungs-MRT auch zur Frühdiagnose der HFpEF eingesetzt werden, schlussfolgern die Autor:innen. RG
Quelle: 87. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, 7-10.4.2021
ICD-Codes: I48 , E78.1
Urheberrecht: Rasi_adobestock

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