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Praxis-Depesche

Neues zur medikamentösen Therapie der Depression

Umfragedaten nach hat Deutschland innerhalb Europas die höchste Prävalenz für depressive Erkrankungen. Dieses Phänomen lässt sich nicht erklären, erläuterte Prof. Jens Kuhn, Oberhausen, im Rahmen einer Online-Veranstaltung für Allgemeinmediziner am 3.9.2022, es sollte aber ermutigen, die Betroffenen bestmöglich zu behandeln. Nach den Leitlinien von 2015 und der Konsultationsfassung von 2022 ist bei leichtgradiger Depression zuerst nur eine Psychotherapie indiziert, bei mittelgradigen Depressionen Psychotherapie oder Medikation und bei schwerer Depression eine Kombination aus medikamentöser und Psychotherapie, so Kuhn. Die Auswahl des Antidepressivums sollte gemäß dem Sicherheits- und Interaktionsprofil, der Präferenz der Patient:innen und der Erfahrung des Arztes bzw. Ärztin erfolgen. Die Leitlinie unterscheidet nicht zwischen den einzelnen Substanzen. Die am häufigsten verschriebenen Antidepressiva sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), deren antidepressive Wirkung nach etwa zwei bis drei Wochen einsetzt. Einen ähnlichen Wirkmechanismus weisen die SSNRI (selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) auf. Da Noradrenalin an der Schmerzweiterleitung beteiligt ist, eignen sich SSNRI für die Therapie depressiver Patient:innen mit Schmerzen. Nach abruptem Absetzen von SSRI oder SSNRI kann es zu einem Absetzphänomen kommen, das sich in Symptomen äußert, die auch im Rahmen einer rezidivierenden Depression auftreten können, z. B. Schlafstörungen, gastrointestinale und kognitive Symptome. Die aktuellen Leitlinien empfehlen, Patient: innen bereits vor Beginn der Medikation über die Möglichkeit eines Absetzphänomens und einer Rebound-Depression nach Beendigung der Medikation aufzuklären. Für Patient:innen, die SSRI (und SSNRI) nicht vertragen, kommen u. a. Mirtazapin, Agomelatin, Bupropion oder Johanniskraut in Frage. Bereits in den S3-Leitlinien von 2015 und auch in der Konsultationsfassung von 2022 wird Johanniskrautextrakt zur Behandlung von Patient:innen mit leichten bis mittelschweren Depressionen empfohlen. Seine Wirksamkeit wurde in vielen Studien bewiesen. Darin war das Phytopharmakon tendenziell sogar wirksamer als SSRI. Auf den Wirkmechanismus zurückzuführende Nebenwirkungen (vor allem schwere) sind in der Regel selten. Eine besonders interessante Option ist Johanniskrautextrakt für geriatrische, multimorbide Patient:innen, für junge oder nebenwirkungssensitive Menschen, für Patient:innen, bei denen zusätzliche Sedierung nachteilig ist sowie für Patient:innen mit starkem Stresserleben und „anlaufender“ depressiver Symptomatik.

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