Vorhofflimmern

Praxis-Depesche 12/2016

Option „rate control" hat Vor- und Nachteile

Die Risiken, die Vorhofflimmern birgt, lassen sich nicht mit Antikoagulation allein ausschalten. Da sich ein dauerhafter Sinusrhythmus („rhythm control“) nicht so leicht herstellen lässt, ist es oft sinnvoll, sich auf die Einstellung der Ventrikelfrequenz zu beschränken.

Patienten mit Vorhofflimmern (atrial fibrillation, VHF) tragen ein erhöhtes Risiko für Apoplexie, Herzinsuffizienz und Tod. Bei der paroxysmalen Form können Anfälle, die mit einer hohen Ventrikelfrequenz einhergehen, zu Synkopen führen und die Lebensqualität schmälern.
Mithilfe von „rate control“ (Frequenzkontrolle) kann man die Beschwerden vermindern oder beseitigen, die Hämodynamik verbessern, einer Herzinsuffizienz vorbeugen und die kardiovaskuläre Prognose verbessern. Mit „rhythm control“ (Etablierung von dauerhaftem Sinusrhythmus) kann man theoretisch mehr erreichen, aber das gewünschte Ziel wird in einem beträchtlichen Teil der Fälle verfehlt. Studien, die beide Strategien verglichen, haben bisher keine Überlegenheit einer der beiden im Hinblick auf maßgebliche kardiovaskuläre Kriterien einschließlich Morbidität, Mortalität und Lebensqualität nachgewiesen. Ob sich an dieser Situation etwas ändert, wenn man die atriale Katheterablation als Option einbezieht, wird man erst wissen, wenn in einigen Jahren die Ergebnisse von Studien mit entsprechenden Vergleichen vorliegen.
 
Rhythmuskontrolle: besser, schwerer
 
In der derzeitigen Situation ist „rate control“ eine Option, die für viele Patienten zu bevorzugen ist. Eine Arbeitsgruppe aus den Niederlanden und den USA hat diese Form der Therapie näher beleuchtet. Die Autoren sehen vier Indikationen für diese Therapie:
(1) Bei praktisch allen VHF-Patienten gehört „rate control“ zur „Hintergrundtherapie“. Wenn z. B. „rhythm control“ versagt, sollte gewährleistet sein, dass die Ventrikelfrequenz nicht aus den Fugen gerät. „Rate control“ ist Therapie der Wahl bei neu auftretendem („akutem“) VHF.
(2) „Rate control“ kann bei älteren Patienten und bei solchen mit geringen Beschwerden indiziert sein.
(3) Es ist die einzige Option, wenn Regularisierung (inkl. Ablation) versagt und
(4) bei Patienten, bei denen die Herstellung von Sinusrhythmus mit Risiken verbunden ist, wie solche mit Brady-Tachy-Syndrom.
Die Frage, was eine „adäquate“ Ventrikelfrequenz ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die konventionelle normale Bandbreite (60 bis 80/min in Ruhe) wäre eine zu strikte Vorgabe. Nach neueren Erkenntnissen ist für viele Patienten eine lockerere Einstellung (unter 110/min in Ruhe) angemessener.
Zur „rate control“ werden vor allem drei Pharmaklassen eingesetzt: Betablocker, Nicht-Dihydropyridin- Kalziumantagonisten (Verapamil, Diltiazem) und Herzglykoside (Digoxin). Betablocker senken die Ventrikelfrequenz in dieser Indikation möglicherweise zu stark; niedrige Dosen dürften mit einer besseren Prognose einhergehen. Nicht-Dihydropyridin-Kalziumantagonisten sind kontraindiziert bei Herzinsuffizienz. Mit Digoxin muss man vorsichtig sein bei älteren Patienten und bei Niereninsuffizienz.
 
Vielleicht öfter Diltiazem oder Verapamil einsetzen?
 
Sotalol und Amiodaron haben negativ-dromotrope Wirkungen. Sotalol verlängert aber die QTStrecke und kann gefährliche Arrhythmien auslösen. Amiodaron bleibt wenigen Patienten vorbehalten angesichts seiner vielfältigen nichtkardialen Nebenwirkungen. Dronedaron erhöht das Risiko von Apoplexie, Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Tod bei permanentem AF.
Eine Studie mit Crossover verschiedener Pharmaka zur „rate control“ ergab die beste Reduktion der Beschwerden unter Diltiazem und Verapamil. Diese Mittel sollten vielleicht öfter eingesetzt werden, finden die Autoren.
Für Patienten mit nicht zu häufigen VHF-Episoden kommt die Strategie „pill in the pocket“ infrage. Dabei wird das frequenzbegrenzende Medikament nur im Bedarfsfall eingenommen.
Eine nichtpharmakologische Form von „rate control“ ist die Ablation des AV-Knotens mit Schrittmacher-Implantation. Sie kommt infrage, wenn sich eine Herzinsuffizienz entwickelt oder verschlechtert, die Patienten symptomatisch bleiben, Pharmaka nicht wirken oder nicht vertragen werden. Es ist ein simpler Eingriff mit wenig Komplikationen, aber er macht den Patienten abhängig vom Schrittmacher. Bevor man sich dazu entschließt, sollte man eine atriale Katheterablation in Betracht ziehen. Diese Form von „rhythm control“ sollte man immer als Alternative zu „rate control“ betrachten. WE
Quelle:

Van Gelder IC et al.: Atrial fibrillation 2 – rate control in atrial fibrillation. Lancet 2016; 388: 818-28

ICD-Codes: I48

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