Praxis-Depesche 15/2002

Stellenwert, Prävention, Screening und Therapie kolorektaler Karzinome

Kolorektale Karzinome stellen in Deutschland die zweithäufigste tumorbedingte Todesursache. Da die Karzinome meist aus Polypen entstehen, könnte ein konsequentes Screening vielen Patienten das Leben retten. Welches Vorgehen wird derzeit empfohlen?

Im Jahre 1998 war das kolorektale Karzinom bei Männern die dritthäufigste, bei Frauen die zweithäufigste Krebsneuerkrankung. Die Inzidenz steigt ab dem 50. Lebensjahr deutlich an. 1999 verstarben in Deutschland 29 094 Menschen an einem kolorektalen Karzinom, das damit die zweithäufigste tumorbedingte Todesursache war. Die relative Fünfjahres-Überlebenszeit des kolorektalen Karzinoms liegt derzeit in der Größenordnung von 50% (Männern: 48%, Frauen: 51%). Rund 90% der kolorektalen Karzinome entstehen aus Polypen. Die Entwicklung eines Karzinoms aus einem Polypen benötigt ungefähr zehn Jahre. Studien haben gezeigt, dass eine konsequente Polypektomie bis zu 90% der Karzinome verhindern kann. Derzeit beinhaltet die gesetzliche Krebsfrüherkennung den jährlichen Test auf okkultes Blut im Stuhl ("Haemoccult") ab dem 45. Lebensjahr. Nur 14% und 34% der anspruchsberechtigten Männer und Frauen beteiligen sich an der Früherkennung. Klinische und epidemiologische Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen dem Risiko für kolorektales Karzinom und der Nahrungszusammensetzung. Demnach hat eine faserreiche, fleisch- und fettarme Kost wahrscheinlich einen protektiven Einfluss. Dasselbe gilt für körperliche Bewegung. Übergewicht gilt ebenfalls als Risikofaktor. Die präventive Einnahme von Mikronährstoffen wie Vitaminen und Spurenelementen oder von Medikamenten wie Acetylsalicylsäure kann derzeit wegen unzureichender Datenlage nicht empfohlen werden. Screeningmaßnahmen in der asymptomatischen Bevölkerung sind: Haemoccult, Sigmoidoskopie, Koloskopie. Empfohlen wird, ab dem 50. Lebensjahr jährlich einen Haemoccult-Test aus drei konsekutiven Stühlen durchzuführen. Ein positives Testergebnis zieht die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarms nach sich. Eine Rehydrierung der Testbriefchen sollte wegen einer erhöhten Rate falsch positiver Ergebnisse nicht erfolgen. Durch den Haemoccult-Einsatz ließ sich in randomisierten Studien eine Senkung der durch kolorektale Karzinome bedingten Mortalität um 15 bis 33% nachweisen. Sigmoidoskopien reduzieren die Mortalität des kolorektalen Karzinoms Fall-Kontroll-Studien zufolge um 60 bis 80%. Sie zeichnen sich durch eine hohe Sensitivität für die Detektion von Adenomen und Karzinomen im Bereich von Rektum und Sigma aus; proximale Läsionen werden nicht erkannt. Wenn Sigmoidoskopien zum Screening eingesetzt werden, sollten sie (ergänzend zum jährlichen Haemoccult) ab dem 50. Lebensjahr alle fünf Jahre erfolgen. Die höchste Sensitivität besitzt die Koloskopie, für die allerdings keine randomisierten Studien zum Einsatz als Screening in der asymptomatischen Bevölkerung vorliegen. Die Altersverteilung der Erkrankung und der Übergang vom Adenom zum Karzinom lassen vermuten, dass das 55. Lebensjahr einen sinnvollen Beginn für ein Koloskopie-Screening darstellt. Die Untersuchung sollte alle zehn Jahre wiederholt werden. Fazit: Ab dem 50. Lebensjahr sollte jährlich eine Haemoccult-Untersuchung stattfinden, ergänzend evtl. alle fünf Jahre eine Sigmoidoskopie. Alternativ kommt eine Koloskopie mit 55 Jahren in Betracht mit Wiederholung alle zehn Jahre Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom haben ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko. Verwandte ersten Grades eines Patienten, der nach dem 60. Lebensjahr erkrankte, haben ein nahezu verdoppeltes Risiko, selbst zu erkranken. Entwickelte der Indexpatient sein Karzinom vor dem 60. Lebensjahr oder ist mehr als ein Verwandter ersten Grades betroffen, ist das Risiko um das Drei- bis Vierfache erhöht. Koloskopien sollten erfolgen - spätestens mit 40 Jahren, wenn der Indexpatient bei der Diagnose des kolorektalen Karzinoms nicht mehr als 60 Jahre alt war - spätestens mit 50 Jahren, wenn der Indexpatient bei der Diagnose über 60 Jahre alt war - mindestens zehn Jahre vor dem Alterszeitpunkt der Diagnose des kolorektalen Karzinoms des Indexpatienten Die Koloskopien sind alle zehn Jahre zu wiederholen. Werden bei der Endoskopie Polypen festgestellt, wird folgendes Vorgehen empfohlen: - Polypen von über über 5 mm Größe: Polypektomie - Polypen unter 5 mm: Zangenabtragung - Nach Abtragung von Adenomen: Kontroll-Endoskopie nach drei Jahren - Bei unauffälliger erster Kontrolle: weitere Kontrollen alle fünf Jahre - Vorgehen unabhängig von Adenomzahl und Dysplasiegrad Nach Abtragen von Adenomen mit Karzinom (pT1) ist die Nachsorge abhängig von der Risikoklassifikation. Low risk - pT1, G1, G2, L0: Kontroll-Endoskopie nach sechs, 24 und 60 Monaten. High risk - pT1, G3, G4 und/oder L1: radikale chirurgische Therapie, anschließend Kontroll-Endoskopie nach 24 und nach 60 Monaten). Nach Abtragen nicht neoplastischer Polypen: keine spezielle Nachsorge. (UB)

Quelle: Pox, C: Kolorektales Karzinom - Prävention, Screening und endoskopische Therapie, Zeitschrift: ZEITSCHRIFT FUR ARZTLICHE FORTBILDUNG UND QUALITATSSICHERUNG, Ausgabe 96 (2002), Seiten: 227-231

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