Digitale Mammographie

Praxis-Depesche 2/2017

Sterben Frauen durch Screening?

Ionisierende Strahlen können karzinogen wirken – sie ermöglichen aber auch Vorsorgeuntersuchungen. Am Beispiel der Mammographie wurde und wird heftig über Nutzen und Risiken der Röntgenaufnahmen der Brust gestritten. Nun berechnete man mit einem Simulationsmodell, wie viele zusätzliche Mammakarzinome durch die digitale Screening-Mammographie verursacht werden. Die Systematik der Studie wurde allerdings auch kritisiert, und der Knackpunkt scheint die Uneinigkeit darüber zu sein, wie Strahlung biologisch grundsätzlich wirkt.

Um das Mammographie-Risiko darzustellen, analysierte man eine US-Population aus Frauen zwischen 40 und 74 Jahren, die sich jährlich oder alle zwei Jahre einer digitalen Mammographie unterzogen hatten (beginnend mit 40, 45 oder 50 Jahren). Ein jährliches Screening verursachte der mathematischen Projektion zufolge 125 zusätzliche Mammakarzinom-Fälle pro 100 000 Frauen und 16 zusätzliche Todesfälle. Im Gegensatz dazu wurden durch das Screening 968 Brustkrebsfälle verhindert. Bei Frauen, deren Strahlenbelastung oberhalb der 95. Perzentile lag, berechnete man 246 strahlungsbedingte Mammakarzinome mit 32 Todesfällen pro 100 000. Die Größe der Brust spielte dabei eine wichtige Rolle, denn die 8% der Untersuchten, bei denen zusätzliche Röntgenaufnahmen benötigt wurden, um die gesamte Brust darzustellen, wiesen auch ein besonders hohes Risiko auf (266 Krebserkrankungen, 35 Tote/100 000). Begann man mit dem Screening erst mit 50 Jahren und führte die Mammographie nur alle zwei Jahre durch, reduzierte sich das Risiko deutlich, besonders bei mehr als vier Aufnahmen pro Screening-Sitzung.
Prof. William T. Phillips, Radiologe aus San Antonio, Texas, befürchtet allerdings, dass die in dieser Form präsentierten Ergebnisse Frauen aus Angst vor Strahlenkarzinomen unnötigerweise von Vorsorgeuntersuchungen abhalten könnten. Er stellt infrage, dass es überhaupt eine lineare Beziehung zwischen Strahlenbelastung und Karzinomrisiko ohne Strahlenbelastungsschwelle gibt, was aber Grundlage der Berechnungen in der zitierten Studie war. Phillips meint, eine niedrige Strahlendosis führe im Vergleich zu einer hohen zu sowohl qualitativ als auch quantitativ unterschiedlichen Gewebereaktionen. Bei Schilddrüsenkrebs wurde eine solche nicht-lineare Beziehung zwischen Strahlung und Krebsentstehung bereits gezeigt. Und er geht noch weiter: Besonders niedrige Strahlendosen könnten sogar positive Effekte auf das Gewebe haben, indem sie natürliche „Gewebeüberwachungsmechanismen“ stimulieren.
968 verhinderte Brustkrebsfälle würden, kommentierte Phillips die Studien-Ergebnisse, die 16 strahlenbedingten Todesfälle bei weitem wettmachen – zumal die Zahlen „leider mit einem unbewiesenem linearen Strahlenmodell“ berechnet wurden. CB
Quelle:

Miglioretti DL et al.: Radiation-induced breast cancer incidence and mortality from digital mammography screening. Ann Intern Med 2016; 164: 205-14

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