Bakterienstamm in der Petrischale

Bakterielle Endokarditis

Praxis-Depesche 11/2021

Systemische oder orale Therapie?

Ein 33-jähriger Patient mit aktivem i.v.-Drogenabusus wurde bei bakterieller Endokarditis durch Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus initial systemisch antibiotisch behandelt. Zwei Wochen nach Therapiebeginn gibt der Patient Zweifel an, die für weitere vier Wochen geplante stationäre i.v.-Antibiotikatherapie durchzuhalten. Ist eine Umstellung auf eine ambulante orale Antibiotikagabe bei dem inzwischen stabilen, afebrilen Patienten sicher und vertretbar?
Bei schweren Infektionen wie der bakteriellen Endokarditis gilt die intravenöse antimikrobielle Therapie als Standard. Im Vergleich zur oralen Gabe können hier eine zuverlässig vorhersagbare Pharmakokinetik und höhere Blutspiegel erreicht werden. Bei Klappenendokarditis durch Methicillin-resistenten S. aureus empfiehlt die American Heart Association die Gabe von Nafcillin, Oxacillin oder Cefazolin i.v. über sechs Wochen. Ein weiterer Vorteil der stationären Therapie: Bei plötzlichem Auftreten von Komplikationen wie Embolien oder Arrhythmien können lebensrettende Maßnahmen rasch ergriffen werden – denn die Patienten sind kardial oft noch instabil. Dem entgegen steht die Tatsache, dass laut einer retrospektiven Studie ein Viertel aller Patienten, die Drogen konsumieren, die Klinik verlassen, bevor die empfohlene systemische Therapie beendet ist – nur 70 % halten bis zum Schluss durch. Ein vorzeitiger Therapieabbruch ist aber nachweislich mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Es scheint daher unrealistisch und paternalistisch, bei einem Patienten, der seine Zweifel an der Weiterführung der Therapie bereits geäußert hat, an einer Fortführung derselben festhalten zu wollen. Eine Option könnte daher die partielle orale Therapie sein. Doch wie ist die Datenlage hierzu – und können die Ergebnisse ohne Weiteres auf den hier vorgestellten Patienten angewendet werden?
 
Voraussetzungen für eine orale Therapie
In der POET(Partial Oral Treatment of Endocarditis)-Studie , in die 400 Patienten mit linksseitiger infektiöser Endokarditis eingeschlossen worden waren, konnte gezeigt werden, dass die Umstellung auf eine orale Step-down-Therapie nach initialer i.v.-Gabe ( n = 201) der reinen i.v.-Therapie nicht unterlegen war – auch in der Langzeitnachbeobachtung. Das hochselektive Patientenkollektiv bestand ausschließlich aus afebrilen, klinisch stabilen Patienten, die initial über mindestens zehn Tage zufriedenstellend i.v.-antibiotisch therapiert worden waren. Da diese Kriterien auf den hier vorgestellten Patienten zutreffen, sollten die Studienergebnisse auf ihn übertragbar sein. Relativierend muss jedoch berücksichtigt werden, dass nur 47 der 201 Studienteilnehmer ebenfalls eine Infektion mit Methicillin-resistenten S. aureus aufwiesen und nur zwei Teilnehmer i.v.-Drogenkonsumenten waren, was die Repräsentativität der Ergebnisse für den Patienten wiederum einschränkt. Ohne Angabe zu eventuellen Antibiotikaresistenzen und zur Begleitmedikation des Patienten ist es überdies schwer, Therapieerfolg und -sicherheit mit den in der Studie beschriebenen Antibiotika-Regimen abzuschätzen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Therapieadhärenz. Ist diese im stationären Setting noch einfach zu gewährleisten, so kann sie sich im ambulanten Bereich schwieriger gestalten: Ein regelmäßiges Monitoring bezüglich Krankheitsverlauf und Komplikationen muss gewährleistet werden, die zuverlässige und geregelte Ausgabe der oralen Antibiotika, gerade an Personen, die Drogen konsumieren, muss sichergestellt sein. Auch die oft unklaren Versicherungs- und Drogensubstitutionsverhältnisse dieser Patienten stellen ein weiteres Problem dar. Dies alles kann zu einer Krankheitsverschlechterung bis hin zum Tod führen. Dem entgegen steht, dass die allgemeine Annahme, Patienten mit i.v.-Drogenabusus seien per se nicht adhärent, dem individuellen Patienten nicht gerecht wird. Auch der drogenkonsumierende Patient verdient eine vollumfängliche Aufklärung über Risiken und Chancen der ambulanten oralen Antibiotikatherapie und er sollte diese, ebenso wie andere Patienten auch, als Option angeboten bekommen. Des Weiteren sollte ihm eine gleichzeitige Behandlung seines Substanzmissbrauchs empfohlen werden – etwas, das viel zu oft übersehen wird. Diese könnte in einer Opioidsubstitution bestehen, die an die überwachte Gabe der antibiotischen Therapie geknüpft werden kann, was die Adhärenz für die Antibiotikatherapie wiederum steigern würde. Dabei müssen Wechselwirkungen mit Drogen oder Substitutionsprodukten wie Methadon unbedingt berücksichtigt werden. Rifampicin beispielsweise bewirkt eine CYP3A4- Induktion, die zu einer stärkeren Metabolisierung von Opioiden führt. Durch Dosisanpassungen (z. B. Erhöhung der Methadon-Dosis) kann dem jedoch begegnet werden. Die Therapieadhärenz kann auch durch eine Reduktion der Anzahl der einzunehmenden Tabletten verbessert werden (z. B. Einsatz von Fluoroquinolonen statt Dicloxacillin).
Fazit: Der Patient sollte über die Schwere der Erkrankung und die möglichen Komplikationen ausführlich aufgeklärt werden. Ein weiterer Krankenhausaufenthalt mit systemischer Antibiotikagabe kann nur mit dem Verständnis und der Zustimmung des Patienten gelingen. Sollte die Umstellung auf eine ambulante orale Therapie unumgänglich sein, kann durch einen umfassenden, gut organisierten Behandlungsplan und einen informierten und engagierten Patienten, der neben der Endokarditis- Therapie auch eine Substitutionsbehandlung erhält, die Chance auf ein gutes Outcome erhöht werden. CA
Quelle: Chowshury J: Clinical Decisions – Oral versus Intravenous Antibiotics for Endocarditis NEJM 2021, Sep 16; 385(12): 1141-3
ICD-Codes: I33.0
Urheberrecht: raresb - Adobe Stock

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x