Klima-Kardiologie

Praxis-Depesche 7/2015

Welches Wetter zum Tode führt

Der Klimawandel führt weltweit mehr und mehr zu Wetterextremen. Die letzte Hitzewelle in Deutschland mag ein Beispiel sein. Dass Wetterkapriolen zu mehr Hospitalisierungen führen, ist bekannt. Nun wurde mit der weltweit größten Datenbank und statistisch raffinierten Methoden ausgerechnet, wie viele Menschen Umgebungstemperaturbedingt sterben. Der globale Trend überraschte, denn nicht Hitze ist der Killer Nummer 1. In einigen Städten zeigten sich interessante Details.

Es wurden Wetter- und Mortalitätsdaten aus 384 Städten in 13 Ländern ausgewertet. Die Temperatur-bedingte Mortalität berechnete man mit einem 21-tägigen Verzögerungsfenster anhand multivariater Metaregression.
Zwischen 1985 und 2012 kam es zu ca. 74 Mio. Todesfällen. 7,71% schrieb man einer Lufttemperatur außerhalb des Optimums zu (Optimum= Temperatur mit der niedrigsten Mortalität; relatives Risiko=1). Die Minimum-Mortalitätsperzentile variierte von der 60. in tropischen Gebieten bis zur 80. bis 90. in gemäßigten Regionen. Übermäßiger Kälte waren wesentlich mehr Todesfälle als großer Hitze zuzuschreiben (7,29 versus 0,42%). Temperaturextreme sorgten nur für 0,86% Mortalität.
Die meisten Städte zeigten eine U-förmige Kurve, bei der die Sterblichkeit ober- und unterhalb des Temperaturoptimums anstieg. Besonders flach verlief die Kurve beispielsweise in Recife, Brasilien, wo die Einwohner offensichtlich eher Temperatur-resistent (und zugleich Fußballverrückt) sind. In New York fand man eine J-Kurve mit schnellem Mortalitätsanstieg jenseits der 23°C, aber mit einer ziemlich ausgeprägten Kälteresistenz im tiefen °C-Bereich der Kurve.
Daten aus Deutschland wurden nicht ausgewertet – aber aus London: Hier sah man eine steile U-Kurve mit einer Ideal-Temperatur von 18°C. Unter 0°C bzw. über 26°C stieg das Mortalitätsrisiko um 50%. Es gilt also auch in unseren Breiten, bei Temperaturen jenseits des Wohlfühlbereichs auf seine Patienten zu achten. Das gilt besonders für Kälte und generell bereits bei leichten Ausschlägen des Thermometers. Im Falle von kardiovaskulären Problemen gilt es auf Herzfrequenz, Viskosität und Koagulabilität, reduzierte Hirnperfusion und ein schlechtes Ansprechen auf Vasokonstriktoren zu achten. CB
Quelle:

Gasparrini A et al.: Mortality risk attributable to high and low ambient temperature: a multicountry observational study. Lancet 2015; Epub May 21; doi: 10.1016/S0140-6736(14)62114-0

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