Familiäre Kälteurtikaria

Praxis-Depesche 6/2005

Wie kann man Krisen vorbeugen?

Das familiäre kälteinduzierte autoinflammatorische Syndrom (FCAS, auch familiäre Kälteurtikaria) ist eine seltene, autosomal-dominant vererbte entzündliche Erkrankung, deren Genetik erst kürzlich entschlüsselt wurde.

Bei Patienten mit FCAS ist das Protein Cryopyrin durch einen Gendefekt verändert, was zu einer Aktivierung von Caspase-1 und in Folge davon zu einer Ausschüttung von Interleukin-1 führt. Das daraus resultierende klinische Bild besteht in rezidivierenden, wenige Stunden nach Kälteexposition auftretenden hoch entzündlichen Schüben von urtikariellem Exanthem, Arthritis, Fieber, Konjunktivitis und Leukozytose. Um die Prozesse zu entschlüsseln und Präventionsmaßnahmen zu erforschen, gingen vier an FCAS erkrankte Mitglieder einer Familie und drei Kontrollpersonen für 45 min in eine Kältekammer mit 4 °C. Blut- und Urinproben sowie Hautbiopsien wurden vor, während und nach der Kälteexposition gesammelt. Drei Patienten unterzogen sich Monate später erneut dem Protokoll, allerdings mit vorheriger subkutaner Applikation von Anakinra, einem rekombinanten selektiven Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten (IL-1RA). Die FCAS-Patienten entwickelten ein bis vier Stunden nach der Kälteexposition Urtikaria, Fieber und Gelenkschmerzen; es wurde ein signifikanter Anstieg des IL-6-Spiegels i. S. und der Leukozytenzahl gemessen. In befallenen Hautabschnitten waren Interleukin-1 und seine mRNA erhöht. Bei den mit IL-1RA vorbehandelten Patienten traten dagegen keine Symptome und keine Erhöhung von Leukozyten und IL-6 auf. Damit wurde erstmals eine wirksame Therapie gegen eine Krankheit ohne bisherige Behandlungsmöglichkeit gefunden. Da das hier betroffene Cryopyrin eine Schlüsselposition bei der Signalübertragung einnimmt, kann die Erforschung der Pathomechanismen bei FCAS möglicherweise zur Aufklärung einer ganzen Reihe weiterer, häufigerer inflammatorischer Erkrankungen wie z. B. der rheumatoiden Arthritis beitragen.

Quelle: Hoffman, HM: Prevention of cold-associated acute inflammation in familial cold autoinflammatory syndrome by interleukin-1 receptor antagonist, Zeitschrift: THE LANCET, Ausgabe 364 (2004), Seiten: 1779-1785

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