Schätzungen zufolge nehmen 15 bis 20 % aller SARS-CoV-2-Infektionen einen schweren Verlauf. Diese Patienten zeigen häufiger erniedrigte Blutspiegel von Leuko- und Lymphozyten, erhöhte Konzentrationen des C-reaktiven Proteins (CRP) sowie eine gesteigerte Zytokin-Expression. Offen blieb bislang, ob sich auch das Replikationsprofil von SARS-CoV-2 sowie dessen Verteilung im Körper mit der Krankheitsschwere verändert. Dieser Frage gingen chinesische Forscher in einer retrospektiven Studie nach. Dazu nahmen sie von 57 Patienten mit COVID-19 Blutproben, bei 28 Patienten wurde ein Analabstrich gemacht. Anschließend wurden die Proben per Real-time- PCR auf die Anwesenheit von SARS-CoV-2-RNA untersucht. Die Patienten wurden entsprechend ihrer Erkrankungsschwere in zwei Gruppen unterteilt. Als „schwer“ galten alle Verläufe, bei denen es zu einem Atemnotssyndrom mit einer Atemfrequenz >= 30/ min kam, die Sauerstoffsättigung in Ruhe unter 94 % fiel und die PaO₂/FiO₂-Rate unter 300 mmHg sank. Bei sechs der 57 getesteten Patienten war der RNA-Nachweis im Blut positiv. In jedem dieser Fälle nahm die Infektion einen schweren Verlauf. Drei der Patienten waren RNA-positiv, bevor die Erkrankung progredient war, bei den übrigen drei erfolgte die Blutabnahme in einem späteren Krankheitsstadium. Unter den restlichen 51 RNA-negativen Patienten kam es bei
Möglicherweise vermehrt sich das Virus auch im Darm
23,5 % zu einem schweren Krankheitsverlauf. Demnach ergab sich eine statistisch signifikante Korrelation zwischen dem Nachweis viraler RNA im Serum und der Symptomstärke.
Von den 28 Analabstrichen wurden elf positiv auf SARS-CoV-2-RNA getestet, bei acht dieser Patienten (72,7%) kam es zu schweren Symptomen. Auch hier wurden in der Kohorte der negativ getesteten Patienten mit 23,5 % deutlich weniger schwere Verläufe dokumentiert.
Daraus ziehen die Autoren zwei Schlussfolgerungen: Erstens könnte der Nachweis von SARS-CoV-2-RNA außerhalb der Lunge ein Warnzeichen für eine (bald folgende) Krankheitsprogression sein. Zweitens lässt die hohe Viruskonzentration im Analabstrich vermuten, dass sich SARSCoV- 2 nicht ausschließlich im respiratorischen System, sondern auch im Intestinaltrakt repliziert. Möglicherweise tritt das Virus von der Lunge in den Blutkreislauf über, woraufhin es zu einer Reinfektion im Verdauungstrakt kommt. RG